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18.07.2023 Insasse des Kriegsgefangenenlagers erzählt ...

Albert Simon (95) erzählt aus seiner Zeit im Kriegsgefangenenlager Bretzenheim Foto: Rainer Lanz-Wagner

Zeichnung des Camp13, zwischen Binger Weg und Eremitageweg gelegen, von Crg. Hartmann im Auftrag eines Amerikaners - 02.06.1945. Im Hintergrund ist der Kirchturm und unser Wasserturm zu erkennen. Das Dach des Kirchturms müsste allerdings große Beschädigungen von Artillerie-Treffern aufweisen.

Am vorletzten Wochenende hatte der Volksbund Kriegsgräberfürsorge im Amtshaus und im WKZ zwei Aktionstage mit Besichtigung des Dokumentationszentrums, mit Vorträgen zum Lager und mit Gesprächen mit Zeitzeugen ausgerichtet. Der Autor hatte Gelegenheit einen sehr aufschlussreichen und interessanten Vortrag von Dennis Köppl vom Volksbund zum Lagerleben über die 3,5 Jahre des Lagerbestehens beizuwohnen. Ferner hat sich der ehemalige Insasse Albert Simon aus dem Saarland den Fragen von Dennis Köppl und dem Publikum gestellt.

Zuerst ein paar Sätze zum Lager: Die Amerikaner haben dieses Kriegsgefangenenlager Mitte April 1945 auf freiem Feld errichtet und in 24 „Käfige“ eingeteilt. Fortan wurden Soldaten und andere Uniformierte, wie Förster und Schaffner, im großen Stil nach Bretzenheim transportiert, wohlwissend, dass jedwede Versorgung mit Essen und Wasser nicht sichergestellt ist und sie dem Unbill der Natur ausgesetzt sind.

Der regnerisch-kühle April, fehlender Wetterschutz, fehlendes Essen, fehlende Hygiene, fehlendes Frischwasser und die darüber hinaus noch fehlende medizinische Versorgung führten zu einer hohen Zahl an Toten in den ersten Lagerwochen.

In diesen ersten Tagen des Lagers kam auch Albert Simon (95), eingezogen als für den Kriegsdienst brennender Hitlerjunge zum Dienst an der Flak, siebzehnjährig in das Lager. Bis auf die Kleider am Leib mussten sie alles abgeben.

Ankunft

Er schilderte seine Ankunft im Lager auf einem offenen LKW in den Abendstunden und seine ersten Schritte im Gefangenenkäfig: „Wir kamen nass hier an und marschierten durch das Tor und marschierten durch knöchelhohen Schlamm. Es war dunkel. Überall stand jemand herum. Es war überhaupt kein Platz. Man musste aufpassen, wo man hintritt. Ja und dann waren wir todmüde und hätten gern geschlafen. Aber wo? Es war wirklich kein Platz zum Schlafen. Man kann im Stehen sich etwas ausruhen. Eine gewisse Zeit. Der eine mehr, der andere weniger. Aber irgendwann werden sie müde und dann setzen sie sich in den Schlamm. Das ist ihnen egal. Und irgendwann tut ihnen dann das Kreuz noch weh und sie versuchen sich zu legen.“ Aber ein Ablegen in den Schlamm bedeutet den Tod. Er erklärte dem Publikum die auf die Hand gestützte Liegeposition, die man auch auf vielen Bleistiftzeichnungen aus dem Lager zu sehen sind. In seinem Fall hatten sich drei Kameraden gefunden, die sich gegenseitig davor bewahrten im Schlamm zu sterben. „So ging das in diesem Schlamm 4, 5, 6 Tage. Es regnete … ich kann ihnen das nicht genau erklären“ und rät zu einem Selbstversuch im Garten, um diese Plage am eigenen Leib zu erfahren. Die Gefangenen buddelten Löcher, um eine halbliegende, aufgestützte, halbwegs erträgliche Position einnehmen zu können. Es sind jedoch auch Soldaten in ihren Löchern ertrunken.

Hunger

„Das allerschlimmste war natürlich der Hunger … am ersten Tag geht’s ja noch. Am zweiten Tag bekommt ma ja schon Schmerzen. Am dritten Tag tut es echt weh. Am 4. Tag gehen die Schmerzen wieder weg und es tat nichts mehr weh. Man konnte sogar in die Sonne schauen. Das war der Anfang vom Ende“, so schilderte Albert Simon die ersten Tage im Lager ohne Essen. Erst nach 8 Tagen gab es das erste Brot. Anfänglich drei Brote für 100 Gefangene.“ Die Brotrationen und die Vielfalt nahmen von Tag zu Tag zu, erklärte er.

Kameradschaft

Die Kameradschaft hörte im Lager auf. Man hatte vor dem Transport bereits die Soldaten der Einheiten getrennt, so dass jeder im Lager auf sich gestellt war, niemanden kannte und niemandem traute. Jeder war sich selbst der nächste und schützte sein Hab und Gut, so gut er konnte. Albert Simon: „Man hat auch einem Mitgefangenen nichts geliehen, weil man Angst haben musste, es nicht mehr wieder zu bekommen“.

Infrastruktur

Nach ein paar Tagen begannen die Amis Wasserleitungen in jeden Käfig zu legen. Allerdings kein Frischwasser. Sie hatten mit Pumpen an Guldenbach und Nahe Wasser ins Lager gebracht. Sauberes Wasser oder eine ärztliche Versorgung gab es in den ersten Monaten nicht. Später wurden wieder Zeltplanen als Wetterschutz ausgegeben.

Entlassung

Albert Simon war nur insgesamt 3 Monate im Lager als die Amis begonnen haben, die inzwischen auf über 100.000 angewachsene Gefangenenzahl in der Form zu dezimieren, als sie Jugendliche, alte Volkssturmmänner, Väter kinderreicher Familien, Angehörige von versorgungswichtigen Berufen, wie Bauern, Eisenbahner und Bergleute in die Freiheit entließen. Der 1,83 m große Albert Simon wurde Anfang Juli 1945 mit 43 kg nach Hause entlassen. Am 10. Juli 1945 haben die Franzosen das Lager von den Amis übernommen. Die Franzosen haben die Praxis der Amis Gefangene frei zu lassen nicht fortgeführt. Sie haben hingegen die Gefangenen für den Wiederaufbau nach Belgien und Frankreich in Arbeitslager oder auf Bauernhöfe transportiert.

Mahnmal

Noch ein paar Worte zum Mahnmal: Wenn man sich die vielen veröffentlichen Bilder und Fotos der ersten Lagerwochen anschaut, wird einem klar, was das Mahnmal uns zeigen will: Es symbolisiert die gebuddelten, nebeneinanderliegenden Erdlöcher im Sockel und als Zeltsilhouette eine Schräge darüber.